Was ist die optimale Trittfrequenz beim Radfahren?

80, 90 oder 100 Umdrehungen pro Minute?

Ein flüssiger Tritt im Radsport verspricht die größte Effizienz für die bestmögliche persönliche Leistung. Doch schneller fahren zu können bei gleicher Leistung, ist das überhaupt möglich? Über 10.000 Umdrehungen macht ein/e Radfahrer/in im Schnitt bei einer zweistündigen Radausfahrt. Wenn man Radfahrende auf ihrem Fahrrad beobachten würde, dann lassen sich normalerweise zwei Arten der Fortbewegung unterscheiden: Sportler auf ihrem Fahrrad, die mit einer langsameren Trittfrequenz unterwegs sind und diejenigen, die mit einer schnelleren Frequenz pro Minute pedalieren. Während im Profiradsport die Athleten mit ihrer optimalen Trittfrequenz vertraut sind, wird im Freizeit- und Hobbyradsport oft noch mit schweren Gängen und dadurch zu niedrigen Trittfrequenzen gefahren. Doch mit einer guten Tritttechnik kann die eigene Leistung optimiert werden, indem dann für eine größere Leistung die gleiche oder sogar weniger Energie aufgewendet werden muss. Und ganz nebenbei kann nicht nur die Leistung optimiert, sondern auch das Verletzungsrisiko minimiert werden. Der optimale individuelle Tritt wird jedoch nicht von heute auf morgen gelernt, dabei braucht es etwas Training und Feingefühl. Um dein Radtraining effizienter gestalten zu können und deine individuelle Trittfrequenz zu finden, gibt es hier einen kleinen Einblick über die wichtigsten Fakten zur Trittfrequenz beim Radfahren, von welchen Einflüssen diese abhängt und wie du das Frequenztraining in deinen Trainingsalltag integrieren kannst.

Physikalische Fakten der Trittfrequenz - kurz und einfach erklärt

Durch die Gangschaltung am Fahrrad kann nun bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten die Trittfrequenz angepasst werden, um eine leistungsoptimale und trainingsmethodisch sinnvolle Frequenz zu erhalten. Aus verschiedenen Studien konnte mit unterschiedlichen Radsportlern (Triathleten, Profi-/ Hobbyradsportler) bewiesen werden, dass aufgrund von physikalischen und physiologischen Untersuchungen eine hohe Trittfrequenz (85 U/min) zu einer optimalen Leistung beitragen kann. Lee et al. konnten 2021 in ihren Studienergebnissen feststellen, dass die optimale Trittfrequenz bei 90 U/min liegt. Hier konnten sie die größte Effizienz aufzeigen zwischen Muskelermüdung und Energiebereitstellung. Doch von welchen Einflussgrößen ist die Trittfrequenz überhaupt abhängig und welche Vorteile bringt eine auf Dauer höhere Pedalumdrehung?

Einteilung der Trittfrequenz

Vorteile

Ist eine niedrige Trittfrequenz nun ein Nachteil?

Nein, nicht unbedingt! Wie ein bekanntes Beispiel beim Thema optimale Trittfrequenz zeigt, kann auch mit einer niedrigeren Frequenz Höchstleistung erbracht werden: Die Profiradsportler Jan Ullrich und Lance Armstrong kämpften zusammen bei der Tour de France um den Sieg. Bezüglich ihrer Fahrstile und Trittfrequenzen konnten die beiden jedoch unterschiedlicher nicht sein. Während Ullrich einen kraftvollen Stil mit einer niedrigen Frequenz zeigte, fuhr Armstrong mit bis zu 120 U/min Richtung Ziel. Athleten, die eine hohe Trittfrequenz fahren, können dann bspw. bei Sprints und Ausreißversuchen kurzzeitig ihren Krafteinsatz erhöhen. Athleten mit einem ruhigeren Tritt können hingegen bei gleichmäßiger Fahrt ihre Stärken ausspielen, da aus mechanischer und biomechanischer Sicht die Kraftausnutzung (Effizienz) besser ist. Es kommt also nicht unbedingt nur auf eine hohe Trittfrequenz an, wichtig ist hierbei dann vor allem ein flüssiger Tritt, um die eingesetzte Kraft mit möglichst wenig Verlusten in Vortrieb umsetzen zu können.

 

Betrachtet man das Thema aus dem Blickwinkel der Aerodynamik, ist eine geringere Trittfrequenz sogar von Vorteil. Bekanntermaßen ist der Körper der größte Wiederstand auf dem Rad. Um möglichst aerodynamisch zu sein sollte die Luft möglichst lange am Körper angelegt sein, um möglichst wenig Verwirbelung entstehen zu lassen. Durch die Tretbewegung beim Pedalieren kommt es genau zu diesen Verwirbelungen, je niedriger die Frequenz desto weniger wird die Luft verwirbelt. Meist überwiegen jedoch die physiologischen Vorteile den aerodynamischen Vorteilen. Vorallem im Triathlon wo im Anschluss noch gelaufen wird, macht es aus motorischer Sicht mehr Sinn eine höhere Frequenz zu wählen.  

Einflussgrößen

Wichtig: Deine Sitzposition hat einen Einfluss auf die Tritttechnik, eine nicht optimal auf den/ die Radfahrer/in eingestellte Sitzposition kann sich negativ auf die Tritttechnik auswirken. Daher ist ein gut eingestelltes Fahrrad entscheidend für die Verbesserung der persönlichen Trittfrequenz und somit auch zu deiner Leistung. Neben der Vermeidung von Verletzungen kann eine korrekte Sitzposition dazu beitragen, die Kraft, die beim Radfahren auf die Pedale aufgewendet werden muss, zu reduzieren und so den Tritt ökonimischer und effizienter zu gestalten.

Kurbellänge: Auch die Kurbellänge ist ein entscheidender Faktor für die Tritttechnik. Jeder Körper, jedes Bein ist anders. Daher kann es durchaus sinnvoll sein, verschiedene Kurbellängen bei einem Bikefitter/ im Fahrradladen zu testen, um aufgrund der unterschiedlichen Hebelwirkungen, welche von der Kurbellänge beeinflusst werden, die optimale Leistung bei gleicher Energie abrufen zu können

Die individuellen Voraussetzungen wie Sitzposition auf dem Rad, deine Zugphasennutzung, deine Technik und Laktatkonzentration in den Muskeln sind für deine optimale Trittfrequenz jedoch nicht zu vernachlässigen. Weiter spielen auch die Trainings-/ Wettkampfdauer und deine motorischen Fähigkeiten eine wichtige Rolle. So scheint der optimale und effizienteste Tritt sehr individuell. Daher solltest du dich nicht nur auf die theoretische Umdrehungszahl fokussieren, sondern auch nach subjektivem Empfinden fahren, sodass dein Radtraining zwar mit Anstrengung aber dennoch mit Freude auf dem Fahrrad verbunden ist!

Good to know: Aus Studien und Umfragen bei Triathleten ergab sich im Schnitt eine Trittfrequenz von 80-95 U/min.

Mythos "Runder Tritt"

Eine biomechanische Studie an acht professionellen Radrennfahrern hat ergeben, dass keiner der Probanden die Kräfte beim Treten in Übereinstimmung mit der Phaseneinteilung des runden Tritts überträgt. Es gibt wenig, die ziehen und wenig, die schieben, und noch weniger, die eine gleichmäßige Kraftübertragung auf die Kurbel ausüben. Der höchste Effizienzgrad entsteht, wenn die Kraft bei einem 90-Grad-Winkel zur Kurbel wirkt und tangential zum Kurbelkreis. Man könnte erwarten, dass die Kraft bei 90 und 270 Grad am besten wirkt, da dies die einzigen Stellen sind, bei denen die Kraft tangential zum Kurbelkreis wirken kann. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass die meiste Kraft, die von den Probanden ausgeübt wurde, beim Treten nach unten erfolgte.

Training - Beispiele für eure Trainingsgestaltung des Trittfrequenztrainings

Gerade im Winter kannst du auf der Radrolle mit verschiedenen abwechslungsreichen Übungsprogrammen dein Trittfrequenzspektrum ideal trainieren und verbessern. Ein solches Training kann deine motorischen Fähigkeiten, dein Trittverhalten sowie die Variabilität und Ökonomie verschiedener Trittfrequenzen verbessern. Das Training kann aber auch draußen auf einer etwas ruhigeren geraden Strecke problemlos absolviert werden (im Idealfall hast du einen Frequenzmesser an deinem Fahrrad).  

Außerdem gut zu wissen vor dem Training der hohen Trittfrequenzen: Für eine gute Stabilität bei höheren Kadenzen ist eine kräftige Rumpfmuskulatur von Vorteil!

Trittfrequenz-Pyramide 1

15 min Warmfahren
    30 sec 90 U/min
    30 sec 100 U/min
    30 sec 110 U/min
    30 sec 120 U/min
    30 sec 110 U/min
    30 sec 100 U/min
    30 sec 90 U/min

10 min normales Pedalieren & bei Bedarf Pyramide wiederholen
10 min Ausfahren


Achtung: nicht im Sattel hüpfen!

 

Trittfrequenz-Pyramide 2

15 min Warmfahren
    4 min 90 U/min
    3 min 100 U/min
    2 min 110 U/min
    1 min 120 U/min
    2 min 110 U/min
    3 min 100 U/min
    4 min 90 U/min

10 min normales Pedalieren & bei Bedarf Pyramide wiederholen
10 min Ausfahren


Achtung: nicht im Sattel hüpfen!

Trittfrequenz-Wechselspiel

15 min Warmfahren
2-4 Wiederholungen:
    1 min 50 U/min
    1 min 100 U/min
    1 min 60 U/min
    1 min 110 U/min
    1 min 70 U/min
    1 min 120 U/min
    1 min 80 U/min
10 min Ausfahren


Achtung: nicht im Sattel hüpfen!

Einbeiniges Pedalieren (z.B. leicht in eine GA1-Ausfahrt auf der Rolle)

Bei mittlerer Intensität aus einem Pedal ausklicken und 90-110 U/min fahren für 30-45 sec, insgesamt 3-5 Wiederholungen, 5 min Erholung und dann Beinwechsel

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